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Die Jugendkantorei unterwegs in Tschechien - Bericht
Bei einer viertägigen Chorfahrt nach Tschechien hat die Jugendkantorei am Eichstätter Dom das Partnerbistum Leitmeritz besucht. Die Kontakte in die Diözese in Nordböhmen wurden 2013 mit der Unterzeichnung eines Memorandums urkundlich besiegelt. Zehn Jahre später wollte der Eichstätter Domkapellmeister Manfred Faig nun mit einer Reise nach Leitmeritz die Beziehungen kirchenmusikalisch mit Leben füllen. Neben Besichtigungen, einem Konzert und der Gestaltung von Gottesdiensten stand auch ein Tag in Prag auf dem Programm.
Am frühen Freitagabend haben die letzten Touristen den Veitsdom auf der Prager Burg verlassen, das Hauptportal wird verschlossen. Durch eine Tür zu einer Seitenkapelle lässt der Mesner die 22 Sängerinnen und Sänger aus Eichstätt mit ihren Begleitern hinein. Über eine enge Wendeltreppe geht es viele Stufen hinauf – dann steht die Jugendkantorei auf der Orgelempore, hoch über dem Querschiff. Die Kinder und Jugendlichen sind beeindruckt vom Blick in die mächtige gotische Kathedrale, auf die kunstvollen Gewölbe, die bunten Glasfenster. Doch viel Zeit bleibt nicht: Domkapellmeister Faig verteilt die Stehplätze auf dem Chorpodest, Domorganist Martin Bernreuther macht sich mit der Orgel vertraut, probiert Registrierungen aus, und Domkantorin Deborah Hödtke hört von unten, wie sich Chor und Instrument mischen. Dann wird das Programm für die Abendmesse geprobt. Bis der Dom für den Gottesdienst wieder aufgeschlossen wird, hat die Jugendkantorei die Kathedrale für sich alleine und kann den herrlichen Klang genießen.
An Fronleichnam hatte die Chorfahrt nach Tschechien begonnen. Zunächst gibt es eine Stadtbesichtigung in Leitmeritz mit dem großen Stadtplatz, um den sich die meisten Sehenswürdigkeiten gruppieren. Bischof Jan Baxant nimmt sich anderthalb Stunden Zeit und führt die Jugendkantorei durch seinen Amtssitz am Domberg. Er freue sich, dass die Partnerschaft mit Eichstätt durch diesen Besuch wieder mit Leben gefüllt werde – „und noch mehr, dass es junge Leute sind, die zu uns kommen, um unser Bistum kennenzulernen“. Zum Ende des Besuchs gibt es ein kurzes Konzert – und für die Sängerinnen und Sänger Eis.
Bei einem Ausflug nach Oberpolitz, eine Stunde mit dem Bus von Leitmeritz entfernt, besucht die Jugendkantorei die barocke Wallfahrtskirche „Maria Heimsuchung“, die in den vergangenen Jahren aufwändig saniert wurde – auch mit finanzieller Unterstützung aus Eichstätt, wie Stanislav Přibyl erläutert, der nur nebenbei „Wallfahrtsdirektor“ der Kirche und ansonsten als Generalsekretär der Tschechischen Bischofskonferenz tätig ist. Am Samstagabend gibt die Jugendkantorei dann ein Konzert in der Allerheiligenkirche von Leitmeritz – und gestaltet am Sonntagmorgen das Kapitelsamt im Dom St. Stephan.
Gerade für einen kirchlichen Chor wie die Jugendkantorei biete eine solche Chorreise die Möglichkeit zu erfahren, „wie Kirche andernorts funktioniert“, sagt Manfred Faig. „Das gibt neue Einblicke und Inspirationen. Daraus kann man auch Ziele entwickeln für die Arbeit zu Hause.“ Nicht zuletzt seien Chorausflüge, die auch die Jugendkantorei regelmäßig unternimmt, wichtig, um den Zusammenhalt in der Gruppe zu stärken. Das erlebt auch die 14-jährige Julia Bauch, die nur zwei Wochen vor der Reise als Sängerin zur Jugendkantorei kam. „Die Gemeinschaft ist megatoll, und ich wurde sofort so lieb aufgenommen.“
Luzia Schweizer, die schon seit vielen Jahren in der Jugendkantorei singt, sagt gegen Ende der Chorfahrt, der Besuch in einem Partnerbistum sei eine schöne Erfahrung, „weil man spürt, dass die Leute einen auf besondere Weise willkommen heißen. Man ist nicht fremd, weil schon eine Partnerschaft, eine Verbindung besteht“. Tief bewegt ist die 17-Jährige vom Besuch im nahegelegenen Theresienstadt, das in der Zeit des Nationalsozialismus als Konzentrationslager diente. Der Besuch im einstigen Ghetto mit den Baracken und Gefängniszellen ist für die Jugendkantorei auch deshalb ein besonderer Programmpunkt, weil der Chor im vergangenen Jahr die Kinderoper „Brundibar“ von Hans Krása aufgeführt hatte, die im KZ Theresienstadt mehr als fünfzig Mal mit den Inhaftierten gespielt wurde. „Wir hatten uns in der Probenphase intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt – und konnten jetzt den Ort erleben, an dem das Stück aufgeführt wurde“, berichtet Manfred Faig.
Einen weiteren emotionalen Moment erleben schließlich Johanna Porsch und ihre Schwester Annegret, als der Bus auf einer der Fahrten einen Umweg nimmt und an einer winzigen Häusersiedlung hält. Ihre Uroma war zwanzig Kilometer von Leitmeritz entfernt aufgewachsen, jedoch nach dem Krieg aus ihrem Haus vertrieben worden. Ein Foto vom Haus hatte die Uroma, die noch lebt, Johanna gezeigt. „Und sie hat mir von ihrem Schulweg nach Leitmeritz erzählt. Und so habe ich mit Google Maps schließlich das Haus und die Adresse gefunden“, erzählt Johanna und ihre Augen leuchten. Und jetzt steht sie mit ihrer Schwester zum ersten Mal vor dem leuchtend gelb gestrichenen Bauernhaus, das mit einem Teil ihrer Familiengeschichte verbunden ist. Der heutige Besitzer arbeitet im Garten und ist über den unerwarteten Besuch zunächst überrascht. Dann erzählt er, was er über die Geschichte des Hauses weiß und lädt Johanna und Annegret ein: „Ihr dürft gerne wieder kommen, dann könnt ihr auch das Haus besichtigen.“ Heute ist dafür keine Zeit – an der Straße wartet der Reisebus mit dem Chor.
Text und Bilder: Christian Klenk